Die Studie „Handlungsoptionen zur Diversifizierung des Berliner Kultursektors“ wurde im Zeitraum von Juli bis Mitte September 2016 von Citizens for Europe (Projekt "Vielfalt entscheidet - Diversity in Leadership) auf der Grundlage von Interviews mit Führungskräften, Akteur*innen der Freien Szene, der Kulturverwaltung, dem Tourismusmarketing, der Kultureinrichtungen und dem Abgeordnetenhaus erstellt. Sie führt in Grundsätze der Diversitätsentwicklung ein und zeigt auf, wo es Stellschrauben und Steuerungsinstrumente gibt, mit deren Hilfe der Kulturbetrieb diversitätsorientiert geöffnet werden kann.

Do's und Don'ts für mehr Diversität im Kulturbetrieb

Zu den Dont’s der Diversifizierung, also den vorhersehbaren typischen Herausforderungen, gehören:

  • Tokenism, die kurzfristige feigenblattartige Einbeziehung diverser Akteur*innen auf den untersten Hierarchieebenen
  • Projektitis, das Abschieben von Diversifizierung in Projekte, während die Zugangsbarrieren in den Regelstrukturen bestehen bleiben
  • Fehlende Informationen über strukturelle Zugangsbarrieren und zu fördernde Zielgruppen
  • Unspezifische Definition von Zielgruppen (Beispiel: die Kategorie Migrationshintergrund, die nur Menschen, die selbst eingewandert sind und ihre Kinder berücksichtigt, nicht aber Menschen ab der dritten Generation)
  • Gleichsetzung von Diversität mit Internationalität. Viele Institutionen suchen internationale Fachkräfte, während sie lokales Personal ausschließen. Diversität schließt sowohl lokales als auch internationales Personal mit ein, weil Diversität lokales Personal mit diasporischen Bezügen berücksichtigt
  • Fehlende Anerkennung struktureller und intersektionaler Diskriminierung im Berliner Kulturbetrieb durch Personen in Entscheidungspositionen

 

Zu den Do’s der Diversifizierung, also den Standards, Grundsätzen und Potenzialen, die von allen Akteur*innen, die zur Diversifizierung beitragen können, berücksichtigt werden müssen, gehören:

  • Diversität als Leitungsaufgabe definieren und top-down auf allen Ebenen verankern
  • Zielgruppen klar benennen, also zum Beispiel von rassistisch diskriminierten Personen sprechen, statt von Personen mit Migrationshintergrund
  • Quantitative Repräsentation der Zielgruppe auf allen Ebenen der Institution sicherstellen
  • Diversitätsfördernde Maßnahmen auf den Ebenen Personal, Programm, Publikum und Zugang einführen
  • Sowohl diversitätsfördernde Maßnahmen mit Breitenwirkung (Mainstreaming) als auch spezifische Förderung umsetzen
  • Datenerhebung bezüglich der Repräsentation der Zielgruppe in allen Bereichen durchführen, das ist Personal, Programm, Publikum, Zugang, Antragsstellung und Bewilligung
  • Diversitätsentwicklung in bestehende kulturpolitische Steuerungsinstrumente einbauen
  • Unterrepräsentierte Communities und bestehende Diversitätsnetzwerke in die Entwicklung der Angebote und Maßnahmen mit einbeziehen: Stichwort „Entwicklung mit statt Entwicklung für“

 

Mit gutem Beispiel voran

Durch den Vergleich von Best-Practice-Beispielen aus Berlin (Maxim-Gorki Theater, Ballhaus Naunynstraße und Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung), Hamburg (Projekte der W3 – Werkstatt für internationale Kultur und Politik) und Großbritannien (British Film Institute, Arts Council England) entwickeln Citizens for Europe in der Studie eigene Empfehlungen für den Berliner Kulturbetrieb.

 

Was die guten Beispiele zeigen:

  • Leuchtturmprojekte sind wichtig, weil sie bundesweite Strahlkraft haben
  • Diversitätsentwicklung gelingt, wenn sie als Führungsaufgabe wahrgenommen, prozessbegleitend extern unterstützt und durch eine Leitbildentwicklung nachhaltig verankert wird
  • Kurzfristig braucht es spezifische Maßnahmen für unterrepräsentierte Gruppen in den Bereichen Personal, Programm, Publikum und Zugang
  • Langfristig braucht es Diversitäts-Standards, die eine Breitenwirkung über Förderinstrumente hinaus erzeugen
  • Als Grundlage für Steuerung und Monitoring ist Datenerhebung unverzichtbar